Die Hitze (und andere Lebensumstände) fordern ihren Preis. Konstruktive Arbeit hier im Blog ist mir leider kaum noch möglich - Gratulation an das Regime.
Aber heute muss ich doch mal wieder:
EKD-Chef verurteilt Haßkommentare im Fall Sophia L.
Soweit hat er - wenn er 'echte' Hasskommentare meint - sicher recht. Die kühlen kurzfristig das eigene Mütchen, bringen aber ansonsten wenig bis nichts, und wenn man so etwas in irgendeine Eingabemaske eintippt, sollte man es zumindest nicht abschicken. Oft geben sie ja nicht einmal die wirkliche Grundeinstellung des Schreibenden wieder. Leider kann sich so mancher da nicht beherrschen.
Aber es geht nicht nur um Hasskommentare:
Zitat
Die Studentin habe ganz aus dem Vertrauen gelebt und andere Menschen nicht als potentielle Gefahr, sondern zuerst als Menschen gesehen, die als gute Geschöpfe Gottes Mitmenschlichkeit verdienen. „Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn sie aus dem Mißtrauen heraus gelebt hätte“, gab der EKD-Chef zu bedenken, um dann jedoch zu fragen: „Aber wäre das das bessere Leben gewesen? ...“
Wer zu einer solchen Haltung in der Lage ist, der hat natürlich ein anderes Leben als jemand, der 'aus dem Misstrauen', ich würde eher sagen, aus der Vorsicht heraus lebt. Wobei jeder Mensch sein Leben erst einmal voll Vertrauen beginnt, und das in dieser Weise so lange lebt, bis er richtig bitter enttäuscht wird. Das passiert bei manchen früher, bei manchen später - vielleicht war die Vergewaltigung und anschliessende Ermordung dieser jungen Frau ihre erste richtig schlechte Erfahrung im Leben. Und vielleicht war ihre 'Bilanz', selbst mit diesem schrecklichen Ende, bis dahin sehr positiv.
Eine gute Frage ist: Hätte sie diese Möglichkeit vorher ernsthaft in Erwägung gezogen, hätte sie dann auch auf die weiteren Jahrzehnte ihres Lebens verzichtet, vielleicht eine Familie zu gründen, auf jeden Fall aber noch viele Jahre Dinge tun zu können, die ihr wichtig waren, z.B. auch anderen Menschen zu helfen ?
Ist Hilfe, die nicht mit Misstrauen, sondern mit einer gewissen Vorsicht geleistet wird, weniger wert als Hilfe, bei der sich der Helfer selbst in Gefahr bringt ? Wobei der Anlass ihres Todes ja nicht einmal ein Akt der Hilfe ihrerseits war, sondern ihr Versuch, bei dem falschen Mitmenschen Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die meisten Menschen kennen die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Wäre seine Hilfe weniger wert gewesen, wenn er sich zunächst gefragt hätte, ob da vielleicht ein Busch unangenehm nahe steht, hinter dem sich ein Räuber (und ev. sogar ein Komplize des vor ihm Liegenden) verstecken könnte ? Solche Situationen gibt es zumindest heute recht regelmässig. Wenn er sich eine Minute genommen hätte, den Busch (den Spazierstock fest in der Hand) zu inspizieren, bevor er sich zu dem Verletzten hinunterbeugt und riskiert, von hinten unerwartet eins über die eigene Rübe gezogen zu bekommen ?
Es ist unwahrscheinlich, dass der Trick mit dem Scheinverletzten auf der Strasse vor 2.000+ Jahren noch nicht erfunden war. Und wäre es so gewesen (und mal angenommen, die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit) - von diesem Samariter hätte man wohl kaum als leuchtendes Beispiel gehört.
Wer Menschen nur als 'gute Geschöpfe Gottes' sehen möchte, der vergisst auch die Geschichte von Kain und Abel, die im Gegensatz zu vielen Handlungsanweisungen aus dem Alten Testament durch das Neue Testament nicht revidiert wurde. Der Mensch hat eben nicht nur gute Anlagen, er ist mindestens verführbar, wie die Bibel bereits von Adam und Eva berichtet.
Schon traurig, wenn höchste Kirchenvertreter ihre eigene Religion nicht im grossen Zusammenhang kennen (wollen). Genau die, die sich auch für so unverzichtbar halten und dabei übersehen, dass geschrieben steht: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen".
Leider fehlt mir auch die Tröstung eines starken Glaubens an höhere Mächte, die alles wunderbar zum Guten wenden - dass hier keine falschen Eindrücke entstehen. Auch das hat sicher mit Erfahrungen zu tun, mit 'der Kirche' (welcher auch immer), die Vertrauen missbraucht und bestraft.
Aber wenn man mit Religion argumentiert, sollte man es ordentlich tun.
Ist leider schon sehr lange aus der Mode gekommen.
Und natürlich sollte man helfen, wenn es einem möglich ist.
Aber möglichst so, dass man morgen auch noch helfen kann.
Und ein bisschen Hoffnung auf Hilfe 'von oben' darf man ruhig haben, aber selbst da gilt: 'Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott'.