RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#1 von Spitze Feder , 30.01.2017 14:05

Ein gefährliches Thema. Und ich warne jeden, der diesen Thread für irgendwelche Glorifizierungen oder Rechtfertigungen nutzen möchte: Werde ich nicht dulden.

Für manches Verhalten gibt es keine akzeptable Begründung, auch nicht, dass es anderswo von anderen vielleicht irgendwie ähnlich gemacht wurde. Punkt.

Trotzdem gibt es einiges, was man sehr begründet am Umgang mit unserer eigenen Geschichte kritisieren kann (und m.E. auch sollte).

Das Kernthema ist m.E. der Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung. Selbst den damals beruflich im NS-Umfeld Aktiven wurde nicht unbedingt eine persönliche Schuld an den Verbrechen des NS-Regimes angelastet. Trotzdem sollen sich bis heute alle Deutschen für Taten zwischen 1933 und 1945 kollektiv verantwortlich fühlen, als träfe sie selbst ein Teil der Schuld.
Bis zu einem gewissen Alter lässt sich das in Grenzen noch begründen. Wer die NS-Zeit nur noch als Kind erlebt hat oder sogar zu den Nachkriegsgeborenen zählt wie inzwischen die ganz grosse Mehrheit unserer Bevölkerung, den trifft mit Sicherheit keine irgendwie geartete Schuld an den damaligen Vorgängen.

Anders sieht es mit dem Thema Verantwortung an sich aus. Jeder historisch gebildete Mensch hat eine Verantwortung, aus Fehlern der Geschichte zu lernen und nach Möglichkeit eine Wiederholung früherer Fehler zu verhindern. Diese Verantwortung trifft zunächst einmal jeden Menschen, der einigermassen freien Zugang zu entsprechenden historischen Informationen hat.
Die Geschichte des eigenen Landes sollte man besser kennen als die historischen Daten vom Rest der Welt. Von daher haben Nachkommen von Menschen, die Teil einer historischen Fehlentwicklung wie in Deutschland '33-'45 waren, eine besondere Verantwortung in der Welt. Deutsche haben eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die NS-Zeit, das steht m.E. ausser Frage. Allerdings stehen auch wir Deutschen mit dieser besonderen Verantwortung nicht alleine.

Dabei geht es auch nicht um das Thema Kriegsschuld oder darum, welche Umstände den Aufstieg der NSDAP in Deutschland damals begünstigt haben. Auch da gibt es einiges zu diskutieren, aber all das sollte Teil der Geschichte sein in dem Sinne:
Wer zu der Zeit nicht einmal gelebt hat, den kann keine Schuld an den Vorgängen der Vergangenheit treffen - aber unserer historischen Verantwortung für die Zukunft sollten wir uns alle bewusst sein und ihr Rechnung tragen.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#2 von Spitze Feder , 30.01.2017 14:43


Jetzt
zum Anlass für diesen Thread:

Mit 106 Jahren: Goebbels-Sekretärin Pomsel gestorben

Nachdem in letzter Zeit verschiedene Hochbetagte wegen teilweise absurd wirkender Verbrechen angeklagt wurden (hunderttausendfache Beihilfe zum Mord wegen Koffertragens und so) fand ich die Meldung schon spannend. Aber trotz ihrer extremen Nähe zur absoluten Führungsspitze des 3. Reiches ist die Frau relativ glimpflich davon gekommen:

Zitat
Nach Kriegsende war Pomsel mehrere Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, danach arbeitete sie als Sekretärin für die ARD


Russische Kriegsgefangenschaft war sicher hart, aber keine Strafe im juristischen Sinne. Kann so von der ARD auch nicht aufgefasst worden sein, denn (auch damals) jemand mit NS-Vorstrafen im Öffentlich-Rechtlichen ?

Zitat
Dokumentarfilm "Ein deutsches Leben"
...
Regisseur Krönes sagte, er habe zuletzt an ihrem 106. Geburtstag am 11. Januar mit Pomsel gesprochen. Sie sei bis zuletzt "eine scharfe politische Beobachterin" gewesen


Das scheint sie aber auch erst im Nachkriegsdeutschland geworden zu sein:

Zitat
"Nichts haben wir gewusst", sagte sie in dem Film. "Wir waren ja selber alle ein riesiges Konzentrationslager." Sie habe eh keinen Widerstand leisten können. "Ich gehöre zu den Feigen."


Angst vor Bestrafung, auch und v.a. nachdem man Wissen über Hintergründe erworben hat, kann ich verstehen. Als 'Tippse' war sie leicht ersetzbar, aber mit ihrem Wissen hätte man sie natürlich nicht einfach gehen lassen. Dabei war sie vermutlich weder organisatorisch noch direkt an irgendwelchen Verbrechen beteiligt. Soweit wohl juristisch ok. Wie man selbst am Ende mit so einer Situation klarkommt ist eine andere Sache.

Aber dass jemand in dieser Position nichts von den Vorgängen um die KZs mitbekommen haben will halte ich für komplett unglaubwürdig. Wer holt sich schon eine Sekretärin, vor der er wesentliche Teile der 'Arbeit' der eigenen Organisation geheim halten muss ? Und die 'Endlösung' hat ja doch bis zuletzt jede Menge (auch 'kriegswichtige') Ressourcen gebunden, hatte also eine hohe Priorität.

Im Spiegel steht dazu noch:

Für sie seien Job und Wohlstand vorgegangen, außerdem habe sie dazugehören wollen. Pomsel trat bereits 1933 in die NSDAP ein

Das kommt mir allerdings wieder ziemlich bekannt vor. Und irgendwie ist es schon erschreckend, wie stark Menschen in institutionalisiertes Unrecht eingebunden sein können, ohne sich dabei (zumindest im juristischen Sinne) schuldig zu machen.

Job und Wohlstand, man will dazu gehören, und wer Kritik übt verliert sehr schnell alles.

'Wir' haben noch lange nicht genug gelernt.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#3 von Philharmoniker , 30.01.2017 18:11

Die von oben verordnete, zwanghafte Beschäftigung mit Missständen in der NS Zeit ist für die Generation nach 1945 nicht nur überflüssig, sondern in hohem Maße schädlich.

Schuld ist immer individuell bei jeder Person selbst zu suchen. Jeden ab 1945 in der BRD geborenen Bürger, gehen Verbrechen, in einem vergangenen Regime, nichts mehr an. Der Gedenkkult in der BRD bildet die Grundlage für einen perfiden Ablasshandel auf Kosten der Allgemeinheit. Ich behaupte auch, dass sich auch in der BRD immer jemand findet, der jeden nur erdenklichen verbrecherischen Befehl umsetzt, wenn die Anweisung von einem Vorgesetzten oder höheren Beamten kommt, und sich jemand hinstellt, und behauptet, dafür die "Verantwortung" zu übernehmen.

In welchem Umfang setzen sich den andere Länder wie Russland, mit den Massenverbrechen im Stalinismus auseinander?

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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#4 von Spitze Feder , 30.01.2017 23:48

Zitat von Philharmoniker
Die von oben verordnete, zwanghafte Beschäftigung mit Missständen in der NS Zeit ist für die Generation nach 1945 nicht nur überflüssig, sondern in hohem Maße schädlich.


Da bin ich anderer Meinung. Das Problem ist die Schuldzuweisung. Die regelmässige Beschäftigung mit den Leichen im Keller sollten nicht nur wir fortsetzen:

Zitat von Philharmoniker
In welchem Umfang setzen sich den andere Länder wie Russland, mit den Massenverbrechen im Stalinismus auseinander?


Richtig, und bei weitem nicht nur die Russen. Bei fast jeder historisch relevanten Nation fallen mir Missstände ein, derer man dort gedenken sollte. Allerdings nicht hier in diesem Faden. Aufrechnung bringt dabei nichts.

Zitat von Philharmoniker
Ich behaupte auch, dass sich auch in der BRD immer jemand findet, der jeden nur erdenklichen verbrecherischen Befehl umsetzt, wenn die Anweisung von einem Vorgesetzten oder höheren Beamten kommt, und sich jemand hinstellt, und behauptet, dafür die "Verantwortung" zu übernehmen.


Um so wichtiger ist das Gedenken der alten Fehler. Nicht mit Schuldgefühlen oder Hass (auf allen Seiten), sondern mit einem leisen Grauen vor den Potentialen des sog. 'homo sapiens' und dem Bewusstsein der eigenen Verantwortung.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#5 von Philharmoniker , 31.01.2017 16:42

Merkel Rede in Israel 2008

Um zu verdeutlichen, wie die BRD Kanzlerin Merkel, die Vergangenheit der Jahre 1933 - 1945 für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert, habe ich den obigen Link gepostet.

Eine Kommentierung einzelner Abschnitte, erfolgt vielleicht später, ein Löschen des Beitrags vor der Veröffentlichung, wäre mir dann zu schade, wenn die Stellungnahme zu deutlich ausfällt.

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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#6 von Spitze Feder , 31.01.2017 18:35

Zitat von Philharmoniker
... Eine Kommentierung einzelner Abschnitte, erfolgt vielleicht später, ein Löschen des Beitrags vor der Veröffentlichung, wäre mir dann zu schade, wenn die Stellungnahme zu deutlich ausfällt.


Hm, dabei habe ich immer den Eindruck, dass ich gelegentlich schon ganz schön vom Leder ziehe. Nur argumentative Steilvorlagen für die Maas/Kahane-Fraktion müssen nicht unbedingt sein, da machen sich schon genug Leute drum verdient.

Aber dann schreibe ich eben zuerst meine Gedanken zu diesem schönen Link (für das Ausgraben herzlichen Dank, das ist Futter, das dieser Thread braucht):

Zitat von Merkel
Meine Damen und Herren,

ich bin zutiefst davon überzeugt: Nur wenn Deutschland sich zu seiner immerwährenden Verantwortung für die moralische Katastrophe in der deutschen Geschichte bekennt, können wir die Zukunft menschlich gestalten. Oder anders gesagt: Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit.


Und genau da sollte man sagen: Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Zukunft - im Gedenken der Vergangenheit.

Zitat von Merkel
Heute ist es an uns, an meiner Generation, zusammen mit der jungen Generation das Bewusstsein für eine Erinnerungskultur zu wecken, die auch dann trägt, wenn die Überlebenden der Shoah nicht mehr unter uns sein werden. Natürlich gibt es dafür kein Patentrezept. Aber diese Herausforderung zu erkennen und anzunehmen – das genau ist der erste entscheidende Schritt, um zusammen mit der Jugend kreative Wege für eine Erinnerungskultur der Zukunft zu entwickeln, und zwar in Israel und in Deutschland gemeinsam.


Wenn es so umgesetzt würde könnte ich ganz gut damit leben (wobei Deutschland / Israel m.E. zu wenig ist).

Das Problem liegt in einem kleinen Wort: "trägt". Was bei uns installiert wird, ist nicht eine Erinnerungskultur, die uns in die Zukunft trägt, sondern es ist eine Erinnerungskultur, die uns drückt. Deswegen ist dieses deutsche Modell auch nicht auf den Rest der Welt übertragbar, weil es der Rest der Welt zu Recht als eine Zumutung empfindet.

Wenn sich das ändert, gewinnen nicht nur wir, sondern wirklich alle. Wenn es nicht mehr um eine imaginäre Verantwortung für eine Vergangenheit, die die meisten von uns gar nicht erlebt haben, ginge, sondern um die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft - dann könnten alle Menschen weltweit gemeinsam der Fehler der Vergangenheit gedenken und gemeinsam Lehren daraus ziehen. Und vielleicht wäre es dann irgendwann zu Ende damit, dass sich Gräuel weltweit immer wieder an anderer Stelle wiederholen.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#7 von Spitze Feder , 22.03.2017 18:01


Scharfe Kritik vom Landeskonservator: Auf Schwarz-Rot-Gold zum sowjetischen Ehrenmal


Auf schwarz-rot-Gold zu einem Denkmal für gefallene russische Soldaten ? Klingt tatsächlich erstmal seltsam. Aber:

Zitat
Der Landkreis als Eigentümer der weithin bekannten Gedenkstätte für die gefallenen Soldaten des 2. Weltkrieges hat nach Sanierungsarbeiten den Weg in seiner ursprünglichen farblichen Gestaltung neu verlegt. Jetzt leuchtet der Weg zur Statue in Schwarz-Rot-Gold.


Das ist also kein neudeutsch-nationalistischer Unfug, sondern die Wiederherstellung des Zustandes zu DDR-Zeiten, bei dem sich sicher irgendjemand etwas gedacht hat.

Zitat
Landeskonservator Drachenberg sagt, dass die Farbigkeit dem eigentlichen Nebenweg eine ungeheure Bedeutung verleihe. Er ist über die Gestaltung des Weges fassungslos. Er empfiehlt graue Platten, um dem Nebenweg seine ursprüngliche ruhige Wirkung zurück zu geben. Denn, so der Landeskonservator, die Denkmal rechtliche Erlaubnis für die Sanierung beziehe sich auf den Erhalt des Bestandes, nicht auf dessen Nachbau


Und diesen letzten Satz sollten sich alle Bauherren gut merken: Die Erlaubnis des Denkmalschutzamtes für eine Sanierung betrifft nur den Erhalt des inzwischen erreichten Verfallszustandes. Wer sich erdreistet, einen denkmalgeschützten Bau in 'altem Glanz' wieder erstrahlen zu lassen, der bekommt Ärger.

Und das jetzt sogar schon bei Anlagen aus der Nachkriegszeit ...

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#8 von Spitze Feder , 20.04.2017 17:27


M
al wieder:

Helferin im KZ Stutthof: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 92-Jährige

Zitat
Welche Aufgabe die Frau genau hatte, müsse noch ermittelt werden
...
"Wir haben keinen Anhaltspunkt, dass sie unmittelbar an der Selektion der Gefangenen beteiligt war"
...
sei als Telefonistin in das KZ Stutthof abkommandiert worden


Keine Entscheidungsgewalt, und höchstwahrscheinlich auch nicht an der Ausführung der Verbrechen direkt beteiligt. Notfalls versucht man eben noch heute nachträglich die Boten zu erschiessen. Aber wer weiss ? Wieviele weibliche Hochgrad-Nazis werden denn noch vermisst, die sich hinter der Telefonistin verstecken könnten ?

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#9 von Spitze Feder , 04.05.2017 22:36


Harmloser,
aber dafür um so hirnrissiger:

Nazi-Vergangenheit des Begriffs "Deutsche Weinkönigin": Historiker kratzt an Krone

Zitat
Krieger vertritt die These, die Bezeichnung der "Deutschen Weinkönigin" gehe auf NS-Funktionär Josef Bürckel zurück, der so das Weinbaugebiet Pfalz habe fördern wollen


Zumindest umgesetzt hat er es aber anscheinend nicht, denn etwas weiter unten ist zu lesen:

Zitat
Die 1. Deutsche Weinkönigin war 1949 die Pfälzerin Elisabeth Kuhn


Und das, obwohl die Nazis schon 1935 aus der 'pfälzischen' die 'deutsche' Weinstrasse gemacht hatten. Zeit wäre also mehr als genug gewesen.

Nachdem jetzt schon nicht umgesetzte Gedankengänge zur Benennung von Werbe-Ikonen historisch kritisch werden könnte man doch gleich noch vorschlagen, das auf technische Entwicklungen auszuweiten: Alle Patente, die in Deutschland von 1933 bis 1945 eingereicht wurden, und natürlich auch alle deutschen Entwicklungen, die auf diesen Patenten aufbauen, werden in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, die dann von den entsprechenden Unternehmen Lizenzgebühren kassiert, für die sich unschwer Verwendungen finden lassen werden. Damit ist dann das Thema dfutsche Industrie (zumindest die klassischen Sparten) auch bald erledigt. Nur schade, dass damit dann auch die entsprechenden Lizenzgebühren wieder wegfallen ... aber man kann eben nicht alles haben.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#10 von Spitze Feder , 14.05.2017 10:11


W
eniger harmlos, denn mit solchem Blödsinn kann man auch vernünftige Menschen sauer machen: Die derzeitigen Vorwürfe genereller rechtsradikaler Tendenzen in und um die Bundeswehr.

Kritik an Bild-Entfernung: „Als hätte Schmidt irgendetwas mit rechtsradikalen Tendenzen zu tun“

Zitat
SPD-Politiker Johannes Kahrs kritisiert den Rundumschlag in Bundeswehr-Einrichtungen. Dass die Helmut-Schmidt-Uni ein Bild des jungen Kanzler in Wehrmachtsuniform abgehängt hat, sei „absurd und abwegig“


Das typische an einer richtigen Hexenjagd ist eben, dass nichts und niemand vor Verdächtigungen sicher ist.

Wehrmachtsproblem der Bundeswehr: Von der Leyen will Kasernen umbenennen

Nach über 70 Jahren merken die, dass ihnen ein paar Namen nicht gefallen ?

Zitat
Die Bundeswehr sollte ihre eigene 60-jährige Geschichte selbstbewusst stärker in den Vordergrund stellen. "Warum nicht auch in Kasernennamen? ..."


Klar, warum nicht ? Das wäre so weit nachvollziehbar, soweit die Bundeswehr Leute hat(te), die sich von ihrer Leistung her anbieten als Namensgeber.

Eine Katastrophe ist aber die Begründung, warum und warum gerade jetzt:

Zitat
"Ich finde, die Bundeswehr muss nach innen und außen klar signalisieren, dass sie nicht in der Tradition der Wehrmacht steht", sagte die CDU-Politikerin ... " ... Die Debatte wird jetzt im Lichte der aktuellen Ereignisse neu geführt werden."


Wegen dem Hansel, der witzigerweise denselben Namen hat wie die Einheit, der er unterstellt ist: Brigade Franco Allemande ?

Das ist doch an den Haaren herbeigezogen. Fragt sich nur, an wessen ...

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#11 von Spitze Feder , 17.05.2017 14:35


Auch
so eine strategische Glanzleistung:

Erste Holocaust-Professorin Deutschlands nimmt Arbeit auf

Nachdem die Zeitzeugen inzwischen (nach eben über 70 Jahren) soweit verstorben sind, dass man für die letzten Schauprozesse Kofferträger u. ä. belangen muss, wird eine Professur zur Aufarbeitung des Holocaust eingerichtet. Es ist ja bekannt, dass ich die weitere Beschäftigung mit den 1.000 Jahren Adolfs weiter für wichtig und richtig halte, nur die Art und Weise wie es gemacht wird hat mal wieder mehr als nur ein leichtes G'schmäckle ...

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#12 von Spitze Feder , 09.09.2017 11:30


Zahl antisemitischer Taten in Deutschland im ersten Halbjahr 2017 gestiegen

Zitat
"Wir dürfen den Kampf gegen Antisemitismus nicht den jüdischen Verbänden überlassen, sondern müssen es als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher leben können", verlangt Volker Beck
...
Nach Angaben der Bundesregierung wurden bis zum 28. August 681 derartige Delikte erfasst. Das sind 27 mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Gewaltdelikte stieg von 14 auf 15, die Fälle von Volksverhetzung von 425 auf 434


Interessierte Kreise werden mir Relativierung und Verharmlosung vorwerfen, aber der Unterschied zum Vorjahr ist wahrscheinlich nicht einmal statistisch signifikant, d.h. er könnte auch rein zufällig sein. Ebenso sollte man sich nicht auf die Schulter klopfen, wenn es demnächst wieder eine Gewalttat und 9 Volksverhetzungsklagen weniger wären.

Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss darin bestehen, dass jeder Bürger (und jeder legale Besucher) dieses Landes sicher leben kann. Die Bedrohung für diese Sicherheit geht zur Zeit leider vorwiegend von Semiten aus, allerdings nichtjüdischen Semiten - was mal wieder beweist, wie unkritisch Leute wie Beck ihre Kampfbegriffe benutzen.

Derzeit könnte man das auch unter 'Wahlkampf' stellen, denn es geht hier nur darum, ein Wachstum rechter Gefahren zu beschwören, das es so in Deutschland nicht gibt.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#13 von Spitze Feder , 25.09.2017 23:43


Urteil: Kündigung von Ordnungsamtsmitarbeiter nach „Mein Kampf“-Lektüre rechtens

Zitat
Der Mitarbeiter des Bezirksamts Reinickendorf hatte nach Gerichtsangaben während der Arbeitszeit im Pausenraum des Dienstgebäudes die Originalausgabe des Hitler-Buchs mit einem eingeprägten Hakenkreuz gelesen


Klingt so, als hätte er keine Pause gehabt. Das war aber nicht der Grund:

Zitat
öffentlichen Zeigen des Hakenkreuzes als verfassungswidrigem Symbol


So öffentlich ist ein Pausenraum ja nun eigentlich nicht.

Aber selbst wenn: Hätte er das Buch dort lesen dürfen, wenn er es in einen entsprechenden Schutzumschlag verpackt hätte ?

Wir merken uns: Zeitdokumente wenn, dann nur zu Hause lesen, und nicht so, dass jemand durch das Fenster sehen kann, was man da liest. Sonst wäre es ja öffentlich. Von der Gefahr durch Antifas mal ganz zu schweigen, die es vermutlich nicht interessiert, ob man so etwas kritisch oder euphorisch liest.

Und wehe, ich sehe nochmal bei einem Briefmarken- oder Münzhändler entsprechende Symbole ...

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#14 von Spitze Feder , 26.09.2017 21:20


Es
gab Zeiten, in denen war eine NSDAP-Mitgliedschaft (und Schlimmeres) offenbar weniger anrüchig als heute:

Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren

Es ist interessant, wen man auf dieser Liste alles findet. Und eine Einordnung nach 'Aktivität/en' würde heute sicher als nicht angemessene Relativierung angesehen werden:

DIE WELT (02.04.2005): Irrungen und Wirrungen diplomatischer Nachrufpraxis

Zitat
Die Fälle Genscher und Scheel: Wie sich das Auswärtige Amt in seinen Richtlinien für einstige NSDAP-Mitglieder verfängt
...
Der Aufstand im Ministerium am Werderschen Markt richtet sich weniger gegen den Umgang mit Einzelfällen, sondern gegen die pauschale Regelung, mit der Außenminister Fischer ein biographisches Merkmal zum Kriterium der Würdigung eines ganzes Lebens gemacht hat. Von Befürwortern seines Kurses im AA ist dieser Tage wörtlich zu hören: "Es mag einer nach dem Krieg auch 30, 40 Jahre lang Demokrat gewesen sein - die Jahre in der NSDAP wiegen schwerer. Solchen Personen darf unser Haus kein ehrendes Angedenken gewähren."


Bei den heutigen Politikern wird die Parteizugehörigkeit alleine vielleicht nicht ausreichen, da wird man vermutlich doch relativieren ... äh ... differenzieren.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#15 von Spitze Feder , 09.10.2017 16:34


„Bomber Harris was here“: Dresdner Frauenkirche beschmiert


Und warum steht das hier und nicht beispielsweise bei 'Rechts & Links' ?

Darum:

Zitat
Da es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte, hat zunächst die Kripo den Fall übernommen


Erstens: Was ausser einer politisch motivierten Tat soll diese Schweinerei sein ?

Zweitens: Klar war Bomber Harris einer der 'Guten', aber seine Aktionen waren doch mindestens sehr grenzwertig, wenn man das heutige Verständnis von Völker- und Menschenrechten betrachtet. Stünde da einer von einer grossen Auswahl anderer Namen, dann wäre sofort der Staatsschutz dabei - wie es sich bei fast zweifelsfrei politischem Vandalismus und menschenverachtender Propaganda auch gehört.

Und warum ermittelt hier jetzt angeblich nur die Kripo ? Das hat genau etwas mit der Art und Weise zu tun, wie 'schland mit seiner eigenen Vergangenheit und ihren Bezügen zur Gegenwart umgeht.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#16 von Spitze Feder , 03.11.2017 23:47


Eigentlich
dachte ich schon, dass es nach 1945 recht zügig eine umfangreiche Abrechnung mit verschiedensten NS-Tätern gegeben habe (solche mit Beziehungen natürlich wie üblich aussen vor, was man ja in allen damaligen Parteien beobachten durfte). Aber das war vielleicht ein Irrtum:

Unterlagen des Auschwitz-Prozesses und Constitutio Antoniniana sind UNESCO-Weltdokumentenerbe

Zitat
Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) rückte den millionenfachen Mord an Juden, Minderheiten, politischen Gegnern und Angehörigen der Völker Europas während der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland erstmals in seinem gesamten Umfang in das Blickfeld der Öffentlichkeit


Vor 1963 gab es (die Nürnberger Prozesse mal ausgenommen) keine grössere Aufarbeitung von NS-Verbrechen ?

Das ist schon heftig, auch wenn die Mühlen der Justiz gewohnt gemächlich am mahlen waren: Begonnen hatte der Vorgang 1958, was ja auch immerhin ein gutes Jahrzehnt nach Kriegsende war, und auch dieser Start ist denkwürdig:

Zitat
Die Anzeige einer Privatperson gegen SS-Oberscharführer Wilhelm Boger löste den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess im Frühjahr 1958 aus


Ohne diese private 'Initiative' hätte es diesen Prozess also mglw. gar nicht oder noch einmal deutlich später gegeben.

Es ist bekannt, dass ich nichts davon halte, einen deutschen Schuldkomplex aus der Vergangenheit zu kultivieren, anstatt sich um unsere Verantwortung für die Zukunft zu kümmern. Relativ bald nach dem Krieg wäre es aber sicher sinnvoll gewesen, mehr aufzuarbeiten, auch, um dieses unglückselige Kapitel deutscher Geschichte irgendwann abschliessen zu können.

Vielleicht war mehr an Aufarbeitung nicht nur bei deutschen Ämtern nicht erwünscht, das ist durchaus möglich und sollte auch einmal beleuchtet werden. Die schleppende Beschäftigung mit NS-Verbrechen wird uns ja heute noch vorgeworfen und verschafft den Klägern einen gewissen moralischen Vorteil. Aber wenn eine private Anzeige so etwas in Gang setzen konnte (was heute in manchen wichtigen Staatsfragen nicht funktioniert ), dann glaube ich nicht, dass es für deutsche Behörden nicht möglich gewesen wäre, selbständig zu recherchieren.

Auch das ist inzwischen Vergangenheit. Es gibt kaum noch Zeitzeugen, die man für was auch immer belangen könnte, nicht nur bei uns. Die Aufnahme dieser Dokumente in das 'Welterbe' ist auch durchaus richtig. Und wenn sich jemand nicht ganz unberechtigt an dem späten Termin stösst sollte er sich aber auch fragen, ob in seinem Heimatland alles aufklärungswürdige tatsächlich einmal öffentlich verhandelt wurde. So ziemlich jede geschichtlich bedeutende Nation hat da ihre weniger rühmlichen Aktivitäten, die nur zu gerne unter dem Teppich gehalten werden. Ohne mich jetzt weiter informiert zu haben vermute ich mal, dass es da so manches gäbe, das äquivalent in das Weltdokumentenerbe aufgenommen werden könnte - das aber nicht aufgenommen wird, weil es davon leider keine so griffige Zusammenfassung gibt wie die Frankfurter Gerichtsakten.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#17 von Spitze Feder , 29.11.2017 21:07


Gericht: Auschwitz-Buchhalter Gröning (96) muss für vier Jahre ins Gefängnis


Wenn es tatsächlich gerechtfertigt sein soll, einen fast Hundertjährigen nach über siebzig Jahren einzusperren, dann muss man zumindest fragen, warum auch das nicht schon wesentlich früher passiert ist.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#18 von Spitze Feder , 28.01.2018 08:20


„Eine Schande“: Merkel beklagt zunehmende Tendenzen von Antisemitismus in Deutschland

Zitat
Anlässlich des Holocaust-Gedenktags hat Kanzlerin Merkel zunehmende Tendenzen von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit beklagt. Es sei eine "Schande, dass keine jüdische Einrichtung ohne polizeiliche Bewachung existieren kann"


Ja, so etwas ist eine Schande, und da müssen sich alle Regierungen seit '45 daran messen lassen, wie weit es ihnen (nicht) gelungen ist, Teile der Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren.

Leider werden auch hier wieder zwei Themenbereiche unzulässig vermengt: Judenfeindlichkeit (Antisemitismus geht ja viel weiter) und angebliche Fremdenfeindlichkeit, die bei den meisten Bezichtigten gar nicht in der Weise vorhanden ist. 'Vorbehalte' gegenüber Fremden wäre meist wesentlich sinnvoller. Aber das ist hier nur Randthema.

Es passt schon deswegen nicht wirklich zusammen, weil Juden in Deutschland ja seit Jahrhunderten ansässig, also weder damals noch heute eigentlich 'Fremde' waren. Um so schlimmer ist die Verfolgung zu bewerten.

Aber zurück zum erfolglosen Kampf gegen den 'Antisemitismus':

Merkel will Konzept der KZ-Gedenkstätten ändern – Zeit unter National-Sozialisten nicht vergessen

Und schon wieder muss ich Merkel (völlig ungewohnt) zur Hälfte zustimmen: Die NS-Zeit darf nicht vergessen werden. In welcher Weise ich mir den Umgang mit unserer Geschichte vorstelle hatte ich ja schon im EP beschrieben.

Aber was soll am Konzept von NS-'Gedenkstätten' geändert werden, und warum ?

Zitat
„Die Zahl derer, die Überlebende sind, nimmt ab“, sagte Merkel
...
„Deshalb ist es ganz wichtig, die Stimme derer auch zu erhalten und in pädagogisch sinnvollen Konzepten in die Gedenkstättenkultur mit einzubringen“, so die Kanzlerin.


Keine Frage, aber gibt es da nicht genug Aufzeichnungen ? Persönlich für Fragerunden anwesend waren direkte Überlebende wohl auch bisher nur im Ausnahmefall.

Zitat
Künftig käme denjenigen eine besondere Bedeutung zu, die noch persönlich Zeitzeugen gehört und erlebt hätten. Diese müssten „das, was sie empfunden haben, was sie erfahren haben, weitergeben, um diese Zeit nicht zu vergessen“


Und da muss man doch mal fragen, warum sollen hier Informationen aus zweiter Hand denen aus erster Hand vorgezogen werden ? Und wie geht es dann in ein paar Jahrzehnten weiter ? Statt der direkt aufgezeichneten Äusserungen der Überlebenden Beiträge aus dritter, vierter Hand ?

Man muss sich schon fragen, wo hier der Vorteil liegen soll. Indem man Anlass gibt, die zu vermittelnden Informationen in Frage zu stellen, erreicht man doch sicher keine bessere Aufarbeitung als bisher.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#19 von Spitze Feder , 02.03.2018 19:35


Ardi Goldman: "Als Nichtjude wäre ich nicht so hart bestraft worden"

Zitat
wirft Ardi Goldman dem Frankfurter Landgericht indirekt Antisemitismus vor. Er sagte wörtlich: "Als Nichtjude wäre ich nicht so hart bestraft worden."

Seine Haftstrafe will der Immobilienspekulant im Sommer dieses Jahres antreten. Allerdings nicht in Frankfurt sondern in Köln. Er hofft, "dort gleichbehandelt zu werden, ohne Schikanen".


So etwas sollte unsereiner mal in einer ähnlichen Situation ablassen, die Folgeklage wegen Volksverhetzung würde nicht lange auf sich warten lassen.

 
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RE: Umgang mit der deutschen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg

#20 von Spitze Feder , 03.12.2019 21:28


D
ie Zeit des europäischen Kolonialismus sollte man nicht verharmlosen. Auch wenn man die Vorgänge letztendlich nur im zeitlichen Zusammenhang verstehen kann und das heute so nicht mehr möglich sein sollte, damals ist viel passiert, was besser nicht passiert wäre. Das betrifft viele Länder, die heute nichts mehr davon wissen wollen, aber natürlich auch Deutschland. Was man allerdings auch nicht vergessen sollte ist, dass die Kolonialisierung im deutschen Kaiserreich meist von einem Gefühl der Verantwortung getragen war, das in den früheren deutschen Kolonien bis heute anerkannt wird:

Kolonialismus-Experte im Bundestag: „Warum sich die Deutschen nicht für die Kolonialzeit entschuldigen müssen“

Zum Glück hat Deutschland nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg seine Kolonien verloren, dadurch haben andere in dem Bereich mindestens so viel Dreck am Stecken wie 'wir' ...



Man muss viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiß, fragen zu können.

(Jean-Jacques Rousseau) - - -
___________________________

Listen to all, follow none, walk your own path the best that you can.
(Silver Shield)

 
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